Ronald Regenwurm

das Kinderbuch

Ronald Regenwurm lebte oberhalb vom Deich, direkt am Wattenmeer. Sein Vetter Witt Wattwurm lebte dort im Watt. Ronald wollte schon lange Mal seinen Vetter im Watt besuchen, und so beschloss er eines Tages, sein Bündel zu packen und auf die Reise zu gehen. An diesem Tag war es so weit. Es war ein schöner Tag, die Sonne kam hinter den Wolken hervor und trocknete so den Boden, denn am Tag zuvor hatte es geregnet.

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Regen mag Ronald Regenwurm überhaupt nicht. Seine Wohnung steht jedes Mal unter Wasser, und das ärgert ihn. Er hat schon mehrere Abflussrohre an seine Wohnröhre angeschlossen, aber wenn es so ganz stark regnete, dann liefen alle Röhren voll, und Ronald musste den ganzen Tag Wasser schöpfen. Wasser – nichts als Wasser, und dann heißt er auch noch Regenwurm! Vielleicht gerade deswegen, weil er keinen Regen mag. Also beschloss er, an diesem Tag auf die Reise zu gehen. Er nahm sein Bündel, verschloss seine Wohnröhre, schaute noch mal zum Himmel, nicht etwa, um sich wieder nach der Wetterlage zu erkundigen – nein, sondern um zu sehen, ob da oben nicht gerade eine Möwe nach Futter Ausschau hält. So ein reiselustiger Wurm ist aus der Luft gut zu erkennen, er hebt sich vom Grün der Wiese deutlich ab.

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Der Himmel war frei, keine Möwe und keine Wolken waren zu sehen; der Reise stand nichts im Weg. Mit großen Zügen machte er sich davon, die Nase zur Orientierung in den Wind gestreckt. Denn wo es nach Salz richt, dort musste die See sein. Und dort wohnte sein Vetter. Nach einiger Zeit kam er an den Rand des Deiches, der Boden wurde immer sandiger, und plötzlich ging es steil nach unten. Es war wie eine lange Rutschbahn. Der Sand war fein und trocken, die Rutschpartie ging ab wie die Post und machte Ronald Regenwurm einen riesigen Spaß. Am Ende der Rutschpartie wurde der Boden plötzlich feucht und salzig; das musste die Gegend sein, wo sein Vetter wohnt. Ronald musste vorsichtig sein, denn es war ein Gebiet, wo viele Gefahren auf ihn lauerten: Wasservögel, Krebse, Muscheln usw. Er richtete sich auf und hielt Ausschau nach seinem Vetter.

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Aber wie sollte er den Eingang seiner Wohnung so schnell finden? Doch da war plötzlich eine Erhöhung, wie eine kleine Sandburg – das musste der Eingang sein. Gerade als er sich darauf zu bewegte, ja genau in diesem Augenblick schaute sein Vetter aus der Sandburg. Das war ein Hallo, das war eine Begrüßung! Gleich nahm Witt seinen Besuch mit in seine Wohnung und ließ sich von der Reise erzählen.
Eine kleine, sich im Sande verlaufende, Welle unterbrach den Erzähler, denn plötzlich wurde es feucht, und Ronald Regenwurm suchte schon aufgeregt nach einem Eimer, um gleich wieder mit Wasserschöpfen zu beginnen.
„Nur die Ruhe, sagte Witt Wattwurm, „das ist hier im Wattenmeer so üblich.” – „Ja, ja, sagte Ronald, „bei mir auch. Immer wenn es regnet, muss ich mit Eimern meine Wohnröhre entwässern.” – „Wieso?” fragte Witt, „ich lebe die meiste Zeit unter Wasser, und das macht mir gar nichts. Manchmal ist das Meer unruhig, und wenn ich dann mal vor die Tür gehe, muss ich mich mit meinen Sandhaken ganz schön festhalten.” – „Wie, unter Wasser?” fragte Ronald.
„Ja, ja, das Wasser kommt ja gleich wieder, dann wirst du es ja selber sehen, sagte Witt Wattwurm.
„Um Himmels willen, nicht schon wieder Wasser, alles, nur das nicht!” sagte Ronald.

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„Doch, doch, hier im Watt lebe ich mit Ebbe und Flut”, sagte Witt, „im Augenblick ist Ebbe, und in genau sechs Stunden ist das Wasser wieder hier.” – „Verflixt, sagte Ronald, „dann muss ich mich sofort auf den Rückweg machen, denn mit dem Wasser habe ich so meine liebe Müh‘.” – „Na, für mich ist das mit dem Wasser auch nicht ungefährlich, sagte Witt. „Wieso?” fragte Ronald, „du lebst doch immer unter Wasser, da kann dir doch keine Möwe etwas anhaben.” – „Ja, ja, das stimmt, Möwen nicht, aber die Plattfische, diese Flundern.” – „Wieso denn, die Flundern sind doch viel zu flach und zu groß, die passen doch gar nicht in deine Wohnung; wo liegt da die Gefahr?” fragte Ronald.
„Die Gefahr? Na, du bist gut! So eine Flunder legt sich einfach auf meinen Wohnungseingang, und irgendwann muss man ja mal raus, dann glaubst du, da liegt ein Stein auf dem Ausgang, du willst ihn wegschieben, und wenn du merkst, dass es eine Flunder ist, hat sie dich schon geschnappt. Damit wir uns sofort zurückziehen können, haben wir ja diese Widerhaken, damit halten wir uns im Boden fest.” – „Nein, sagte Ronald Regenwurm, „das ist mir zu gefährlich, ich mach‘ mich auf den Rückweg.” –

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„Mach’s gut, sagte er, nahm sein Bündel, kletterte aus der Wohnhöhle, schaute sich vorsichtig um, ob keine Möwe auf ihn wartet. „Alles klar – die Luft ist rein, nichts wie weg, sagte er. „Tschüss, mach’s gut, vielleicht besuchst du mich mal, sagte Ronald.
„Nein, nein, keine Sorge, sagte Witt Wattwurm, „ein Wattwurm ist nur im Wattenmeer ein echter Wattwurm, und nur hier kann ich leben.”
Mit langen Zügen bewegte sich Ronald Regenwurm auf den Deich zu. Als er diesen so hohen Deich vor sich sah, erinnerte er sich an die Rutschpartie, als es Deichab ging. „Oha, dachte er, „jetzt muss ich Deichauf!” Gerade als er damit beschäftigt war, wie er wohl am leichtesten diesen Deich hinaufkäme, legte sich ein großer Schatten über ihn.

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Eine Möwe packte ihn mit dem Schnabel bei seinem Bündel, und sofort hob sie mit ihm vom Boden ab. Ronald war starr vor Schreck, er sah sich schon im Bauch der Möwe. Doch da merkte er, dass die Möwe aus Versehen sein Bündel gepackt hatte und nicht ihn. „Und wieso fliege ich hier durch die Luft?” fragte er sich. Und gerade in diesem Augenblick versuchte die Möwe, nach ihm zu schnappen, dabei musste sie das Bündel allerdings loslassen.

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Das war die Gelegenheit – „Nichts wie weg!” dachte er, und schon ging es abwärts. Die Möwe bekam eine kräftige See Brise unter ihre Tragflächen und hob nach oben ab. Ronald hatte nur noch ein kurzes Stück zu fliegen, bevor er auf dem Boden aufschlagen würde. Da erinnerte er sich an sein Bündel, an dem er sich immer noch so verkrampft festhielt. Sofort griff er nach dem Tuch – und war gerettet. Wie ein kleiner Fallschirm bremste das Tuch seinen Sturz ab. So setzte er sanft auf dem Boden auf. „Na, prima, sagte er, klopfte sich den Sand ab, schaute sich um, ob die Luft rein und die Möwe weit genug fort war. Alles klar, die Luft war rein. Ronald setzte seinen Heimweg weiter fort. Der Boden wurde wieder fester.

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„Mein guter alter Mutterboden, du hast mich wieder“, sagte er, kletterte einen Erdklumpen hinauf, um sich nach seiner Wohnhöhle umzusehen. Da war sie, diese markante krümelige Stelle, die seinen Eingang markierte. Er glitt von dem Erdklumpen in Richtung Heimat, und nichts konnte ihn aufhalten. Zu Hause angekommen, räumte er seinen Verschlusskrümel aus dem Eingang, und mit einem eleganten Sprung glitt er ihn seine Wohnung. Ach, war er froh, wieder zu Hause zu sein! Sofort schaute er nach, ob seine Wohnung trocken war. Kein Tropfen weit und breit, und das war auch gut so, denn sein Reisegepäck war noch ganz feucht, und er musste erst einmal alles zum Trocknen aufhängen. Von nun an lebte er in seinem Mutterboden glücklich und zufrieden und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er dort noch heute.