Die Ente die ein Frosch sein wollte

An einem wunderschön gelegenen Teich, direkt hinter dem Wald, mitten in einer Wiese, schien die Welt noch in Ordnung zu sein. Die Wasserflöhe versammelten sich von Zeit zu Zeit und zeigten durch einen rot gefärbten Schleier im Wasser, dass sie eine große Familienfeier veranstalteten.
Diese Veranstaltung machte natürlich jeden Fisch im Teich hellwach.

Durch das Heraneilen der Fische wurde das Wasser so aufgewühlt, dass alle Teichbewohner auf das Ereignis aufmerksam wurden. Das schreckte die Enten aus ihrem Schlaf. Sie streckten die Hälse, um weiter zu sehen; dadurch versperrten sie den Fröschen im Gras die Sicht. Das ließen sie sich nicht gefallen, und sofort erklang ein Froschkonzert. „Quark, Quark – Quark, Quark!“, riefen die Frösche auf dieser Seite des Teiches. „Joghurt, Joghurt!“ schallte es von der anderen Seite des Teiches zurück.

Eine Ente aber saß etwas abseits und sah diesem Treiben nachdenklich zu. „Platsch“ machte
es kurz vor ihr im Gras. Gerade war ein Frosch nach einem gewaltigen Sprung vor ihr gelandet.
„Quark, Quark“, sagte er, „alles Quark.“ – „Ja, ja, alles Quark, alles Quark“, antwortete die Ente
und betrachtete ganz aufmerksam den Frosch.

„Wenn ich dich so betrachte und wenn ich dir zuhöre, dann kommt mir der Gedanke: Eigentlich könnte ich auch ein Frosch sein.“ „Quark“, sagte da der Frosch wieder, „alles Quark!“

„Nein, nein“, sagte die Ente „schau dir mal unsere Füße an, und die gleiche Sprache haben wir auch.“ „Quark, alles Quark“, meinte daraufhin der Frosch. „Ja, ja eben, alles Quark, sag ich doch“, sagte die Ente.

„Von wegen Quark“, antwortete die Ente. „Die Federn könnte ich mir vorsichtig einzeln auszupfen, und dann bin ich genauso nackt wie du.“

„Quark“, sagte der Frosch, „und was machst du mit deinem langen Hals?“ „Den kann ich einziehen bis auf die Schultern, dann geht es, dann sehe ich bestimmt aus wie ein Frosch.“

„Quark, alles Quark“, rief der Frosch schon wieder. „Da wären noch unsere berühmten Froschschenkel, mit denen wir so weit und hoch springen können.“ „Das gleiche ich durch Fliegen wieder aus“, sagte die Ente. „Quark“, sagte der Frosch wieder, „alles Quark, Quark“, schüttelte den Kopf, nahm all seine Sprungkraft zusammen und – ssst – mit einem gewaltigen Sprung

beendete er das Gespräch. Die Ente blieb zurück und konnte sich nicht mehr von dem Gedanken lösen, sich einmal zu verkleiden und in ihrem Teich eine Weile als Frosch zu leben. Sie entschloss sich kurzerhand dazu und fing an, hinter einem Grasbüschel vorsichtig Feder für Feder auszuzupfen.

Bald war sie nackt. „So“, sagte sie, „jetzt bin ich ein Frosch“, und lief aus der Deckung. „Quark“, rief sie, „Quark, Quark.“ Sofort schauten alle zu ihr hin. Sie erregte so viel Aufsehen, dass sogar die Wasserflöhe im Wasser ihre Richtung änderten. So etwas hatten die Teichbewohner noch nie gesehen.

„Was bist du denn für ein gerupftes Huhn?“, fragte eine andere Ente.

„Ich bin ein Frosch“, sagte die Nackte.

Alle Tiere, die herbeigeeilt waren, brachen in lautes Gelächter aus. Das war ein Gegacker und Gequake! „Ich werd’s euch zeigen“, sagte die nackte Ente. „Ich habe ein breites Maul wie ein Frosch, ich habe die Füße wie ein Frosch, ich bin nackt wie ein Frosch, so weit

springen wie ein Frosch kann ich auch, und wenn auch nicht so hoch, so gleiche ich das durch Fliegen ein wenig aus. Und so quaken wie ein Frosch kann ich auch. – Quark“, sagte sie und setzte zum Sprung an.

Zack – und sie hob leicht vom Boden ab wie ein Frosch. Sie wollte, wie es bei einer Ente üblich ist, mit den Flügeln dem Sprung die nötige Grazie verleihen, doch da merkte sie, dass sie keine Federn mehr hatte und mit Fliegen nichts

mehr zu machen war. „Platsch“ machte es im Wasser. Die Ente war kopfüber ins Wasser gefallen, und das sah überhaupt nicht aus wie ein Froschsprung. Kaum war die nackte Ente aufs Wasser aufgeschlagen, drohte sie zu ertrinken. Sie hatte ja keine Federn mehr, die ihr bisher die Möglichkeit gaben, auf der Wasseroberfläche zu schwimmen, weil sie gut eingefettet waren. Bis dahin hatte sie den Kopf bis auf die Schultern gezogen, um den langen Hals

nicht zu zeigen. So zusammengerollt ging sie sofort unter. Auf dem Grund des Teiches angekommen, streckte sie ihren Hals sofort wieder nach oben, und zum Glück war er lang genug, dass sie oben nach Luft schnappen konnte. So konnte sie über Grund ans Ufer laufen, wo sie von ihren Freunden und auch von dem Frosch, mit dem sie vorher gesprochen hatte, mit großem Gelächter empfangen wurde.

Am Ufer angekommen, schämte sie sich sehr und wollte sofort wieder eine Ente sein.
„Quark, hab ich dir doch gesagt, dass der Frosch keine Federn hat“, sagte der Frosch.
Die nackte Ente watschelte ins tiefe Gras und ward nicht mehr gesehen, bis die Federn wieder nachgewachsen waren. Dann war sie stolz, eine Ente zu sein, schwamm auf ihrem Teich herum und wollte nie mehr etwas anderes sein.